Auf dem Hof beginnt die Freiheit – Eindrücke vom Standort Nürtingen

Von Michael, 15. Mai 2025

Gleich hinter dem Bahnhof, ein paar Schritte durch den dunklen Tunnel und dann über den Zebrastreifen der vielbefahrenen Straße und schon öffnet sich ein Ort der Freiheit. Kaum trete ich in den Innenhof, da geht mir das Herz auf. Kinder laufen tobend herum, eine überdachte provisorische Bühne wartet darauf, bespielt zu werden, dahinter eine offene Spielanlage, Bauwagen und ein Backhaus. Beim orientierenden Blick bemerke ich einige Hinweisschilder: Kinder- und Ton-Werkstatt. Später sehe ich auch eine große Metallwerkstatt und verschiedene Orte, die zur Begegnung einladen. Pit Lohse, der gemeinsam mit Julia Rieger und anderen vor vielen Jahren die freie Kinderwerkstatt gegründet hat, erzählt, was die Macher*innen noch heute antreibt. Es ist der Glaube daran, dass Menschen selbstwirksam sein wollen, dass sie niemand brauchen, der sie antreibt, Ergebnisse zu erzielen oder sich zu entwickeln. Es reichen offene Räume, manchmal ein Rahmen und Anregungen, die fast auf der Straße liegen. Denn Metallreste und Vieles, was andere nicht mehr brauchen, werden in den Werkstätten von Anwohner*innen und Bürger*innen der Stadt angeliefert. Sie bildet die Grundlage für kreative Schaffensprozesse der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die an diesen Ort kommen. Hier können sie sich ausprobieren und erleben sich als schaffende kreative Menschen, die etwas und oft auch sich selbst gestalten und entwickeln.

Dies ist der Geist, innerhalb dessen das Projekt „Vielfalt geht“ angesiedelt ist. Neu ist die Kooperation der Nürtinger Kinderwerkstatt mit der Bodelschwingh-Schule, in der Jugendliche mit Einschränkungen lernen. Im Rahmen eines großen Nürtinger Ausstellungsprozesses „coming in“) wurde der Kontakt zur Schule hergestellt und die Schüler*innen zu einem offenen Schaffensprozess eingeladen. Am Ende entstanden vielfältige kleine Bronzefiguren, jedes ein Unikat, geschaffen mit der uralten Technik der verlorenen Form. Wer hat schon mal mit geschmolzener Bronze gearbeitet, wer Wachsfiguren geformt? Sie wurden anschließend in eine Form gebracht, die dann als Hohlkörper die Vorlage für die Bronzefiguren ergab. Stolz erzählten einige der Jugendlichen bei der Eröffnung der Ausstellung, an der sie sich beteiligten, von ihrem Schaffensprozess. Da wird „mensch“ gleich ein paar Zentimeter größer, berichtet Pit von der Kulturwerkstatt. Im Rahmen des Projekts wollen die Nürtinger*innen weiter mit den Schüler*innen der Bodelschwingh-Schule zusammenarbeiten, vielleicht eine Murmelbahn bauen. Vielleicht entsteht auch ein anderes kreatives Werk. Denn das Vorgeben liegt den Mitarbeitenden der KiKuWe nicht. Sie vertrauen auf den Prozess, dass etwas Wertvolles aus Begegnungen und offenen Angeboten entstehen wird. Im Mittelpunkt stehen Menschen, die ohne die Werkstatt nie zusammenkommen würden. Die KiKuWe ist offen für alle, die kommen, insbesondere für junge Erwachsene mit Fluchterfahrung, Menschen, die Ausschlüsse und Benachteiligung erfahren und für all jene, die außerhalb enger Strukturen nach etwas Eigenem suchen. So entsteht Vielfalt an einem Ort, den es nicht nur in Nürtingen, sondern ganz Baden-Württemberg geben sollte.

https://www.seegrasspinnerei.de/das-projekt/

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